Fraunhofer IBMT Partner im neuen EU-Projekt »SafePolyMed«

Größere Sicherheit in der Arzneimittelbehandlung und Stärkung des Patient Empowerment

Presseinformation /

Im neuen EU-Projekt »SafePolyMed« möchte ein internationales Forschungsteam künftig Ärzten und Apothekern innovative Instrumente an die Hand geben, um die Sicherheit der Arzneimittelbehandlung zu erhöhen und die Patienten darüber aufzuklären, wie sie ihre Gesundheitsversorgung aktiv selbst steuern können. Das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik bringt in das Projekt seine langjährige Expertise im Bereich Gesundheitsinformationssysteme ein.

Unerwünschte Arzneimittelwirkungen (UAW) sind eine große Belastung für unsere Gesundheits- und Wirtschaftssysteme. Allein in Europa sind nach einer Einschätzung der Europäischen Kommission etwa 197 000 Todesfälle pro Jahr auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen zurückzuführen. Die regelmäßige gleichzeitige Einnahme von fünf oder mehr Medikamenten (Polypharmazie), das gleichzeitige Vorliegen von zwei oder mehr Langzeiterkrankungen (Komorbidität) und die genetische Vielfalt wirken sich stark auf die Wirksamkeit von Arzneimitteln aus und erhöhen folglich die Häufigkeit und den Schweregrad von Nebenwirkungen. Trotz der Tatsache, dass Arzneimittel-Wirkstoff-Wechselwirkungen (DDI) und Arzneimittel-Gen-Wechselwirkungen (DGI) eng miteinander verknüpft sind, werden sie in der klinischen Praxis immer noch als getrennte Einheiten betrachtet. Daher ist ein ganzheitlicherer Ansatz erforderlich, der die einzelnen Krankheitszustände und die Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und Genen (DDGI) berücksichtigt.

Das neue Forschungsprojekt »SafePolyMed - Improving Safety in Polymedication by Managing Drug-Drug-Gene Interactions« zielt darauf ab, innovative Instrumente zu entwickeln, um DDGIs für Ärzte und einzelne Patienten zu definieren, zu bewerten und zu managen und dabei die Aufklärung und das Empowerment der Patienten zu fördern. »SafePolyMed«, an dem elf Partnereinrichtungen aus ganz Europa beteiligt sind, wird mit insgesamt 5,6 Mio. Euro aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation »Horizon Europe« der Europäischen Union gefördert.

Entwicklung eines robusten Frameworks für eine verbesserte ADR-Risikobewertung

Derzeit fehlen noch eindeutige Merkmale und verlässliche Maßnahmen zur genauen Bewertung des individuellen Risikos eines Patienten, eine unerwünschte Arzneimittelwirkung zu erleiden. An dieser Stelle setzt »SafePolyMed« an: In den nächsten dreieinhalb Jahren plant das multidisziplinäre Forschungsteam ein robustes und klar definiertes Risikosystem entwickeln, das Ärzte und Apotheker bei der Bewertung des individuellen Risikos von Patienten für unerwünschte Arzneimittelwirkungen unterstützt und ihnen somit bei der Entscheidungsfindung hilft. Aufgrund der hohen Komplexität der Bewertung von realen DDGI-Szenarien für verschiedene Patientengruppen ist die Erstellung dieser wissenschaftlich fundierten Leitlinien eine große Herausforderung und erfordert einen integrierten Ansatz, der verschiedene Werkzeuge, Technologien und Perspektiven kombiniert.

»Im Rahmen von SafePolyMed werden wir Techniken des maschinellen Lernens und der künstlichen Intelligenz (KI) einsetzen, um große reale Datensätze zu analysieren, die genomische Informationen, demografische Daten, aktuelle und chronische Gesundheitszustände sowie medikamentenbezogene Details einzelner Patienten erfassen und integrieren, um ein besseres Verständnis des Risikos einzelner Patienten für schlechte Behandlungsergebnisse zu erlangen und personalisiertere Therapieentscheidungen zu treffen«, erklärt Projektkoordinator Thorsten Lehr, Professor für Klinische Pharmazie an der Universität des Saarlandes. »Außerdem ist die Arzneimittelsicherheit stark mit dem Dosierungsschema verbunden. Daher werden wir unsere Analysen mit mechanistischen mathematischen Modellen ergänzen, um komplexe Arzneimittelinteraktionen besser beurteilen und eine auf den einzelnen Patienten zugeschnittene Dosisanpassung berechnen zu können.«

Um diese modellbasierten Dosisempfehlungen für die Leistungserbringer des Gesundheitswesens zugänglicher und attraktiver zu machen, damit sie sie in ihre tägliche Routine einbeziehen, wird »SafePolyMed« einen Prototyp eines benutzerfreundlichen, webbasierten Systems zur Unterstützung klinischer Entscheidungen entwickeln. Der Nutzen aller im Rahmen des Projekts entwickelten Instrumente und Anwendungen wird in einer länderübergreifenden »Proof-of-Principle«-Studie validiert werden.

Förderung der aktiven Patientenbeteiligung für die künftige Arzneimittelsicherheit und das Gesundheitsmanagement

Neben der klinischen Perspektive ist die aktive Einbindung der Patienten eine wichtige Säule des Arbeitsplans. Dazu Prof. Lehr: »Eine systematische Dokumentation des von den Patienten selbst wahrgenommenen Gesundheitszustands mittels spezifischer Fragebögen, so genannter »patient-reported outcome measures (PROMs)«, kann helfen, Probleme im Zusammenhang mit unerwünschten Arzneimittelwirkungen frühzeitig zu erkennen. Daher werden wir PROMs für die Bewertung der Sicherheit in der Arzneimitteltherapie, insbesondere von Nebenwirkungen, für verschiedene Patientengruppen entwickeln.«

Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT schafft zentrale Medikamentenmanagementplattform

Aufgabe des Fraunhofer IBMT ist es, eine Medikamentenmanagementplattform als nachhaltige Infrastruktur zu schaffen, die die aktive Beteiligung von Patienten an der Gesundheitsversorgung verbessert und die Patienten in die Lage versetzt, eine aktivere Rolle in ihrem eigenen Therapiemanagement zu übernehmen. Durch die Integration verschiedener nationaler patientenzentrierter Anwendungen und Module soll eine zentrale Plattform zum Medikamentenmanagement entwickelt werden, die mit bestehenden europäischen Gesundheitsplattformen verknüpft werden kann und den Patienten einen besseren und standardisierten Zugang zu gesundheitsbezogenen Informationen ermöglicht, so dass sie ihre eigene Medikamentenbehandlung angemessen steuern können. Diese zentrale Informationsplattform mit Schwerpunkt auf der aktiven Patientenbeteiligung wird darüber hinaus in enger Zusammenarbeit mit europäischen Patientenorganisationen Maßnahmen zum Kapazitätsaufbau und zu Schulungen anbieten.

 

Wichtigste Fakten zum Projekt

Vollständiger Name: »SafePolyMed - Improving Safety in Polymedi¬cation by Managing Drug-Drug-Gene Interactions« - Verbesserung der Sicherheit bei der Polymedikation durch Management von Wechselwirkungen zwischen Arzneimitteln und Genen
Starttermin: 1. Juni 2022
Dauer: 42 Monate
Budget: 5,6 Mio €
Koordinator: Universität des Saarlandes
Website: www.safepolymed.eu
Soziale Medien: LinkedIn l Twitter


Projektpartner

Deutschland
EURICE - Europäisches Forschungs- und Projektbüro GmbH
Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik IBMT
LeukaNET
Universität des Saarlandes
Universitätsklinikum der RWTH Aachen

Estland
Universität Tartu

Finnland
Universität Helsinki

Griechenland
Stiftung für Forschung und Technologie - Hellas
Universität Patras

Slowenien
Gospodar zdravja d.o.o.
Universität von Ljubljana

Die Niederlande
Medizinisches Zentrum der Universität Leiden

 

Kontakt

Projekt-Koordinator
Universität des Saarlandes / Klinische Pharmazie
Prof. Thorsten Lehr
Telefon: +49 681 302-70255
thorsten.lehr@mx.uni-saarland.de

Projektleitung
EURICE GmbH
Klara Schneider
Telefon: +49 6894 388 1313
k.schneider@eurice.eu