Von gestern bis heute – Historische Entwicklung

Das Fraunhofer IBMT ist die Keimzelle der Medizintechnik in der Fraunhofer-Gesellschaft und das führende Institut in diesem wichtigen Feld mit klinischen und industriellen Anwendungen in der Gemeinschaft der Fraunhofer-Institute.

Gründungsdirektor Prof. Dr. Klaus Gersonde folgte 1987 einem Ruf auf den neu eingerichteten Lehrstuhl für Medizintechnik im Fachbereich Klinische Medizin der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes und übernahm zugleich als Kodirektor des Fraunhofer-Instituts für Zerstörungsfreie Prüfverfahren (IZFP) die Leitung des Vorläufers des IBMT, der Hauptabteilung Medizintechnik in St. Ingbert, die sich aufgrund ihrer stetigen Entwicklung bereits 1992 als selbstständiges Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) etablierte.

Am 01. April 2001 fand der altersbedingte Wechsel im Direktorium des Fraunhofer IBMT statt. Prof. Dr. Günter Rolf Fuhr, übernahm die Institutsleitung und folgte zum gleichen Datum vom Lehrstuhl für Membranphysiologie an der Humboldt-Universität zu Berlin (seit 1993, bei paralleler Vertretung des Lehrstuhls für Experimentelle Biophysik seit 2000) einem Ruf auf den Lehrstuhl für Biotechnologie und Medizintechnik an der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes. Professor Fuhr ist sowohl Mitglied in der Medizinischen Fakultät als auch kooptiert in der Fakultät Physik und Mechatronik, Mitglied des Zentrums für Bioinformatik sowie kooptiertes Mitglied der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Humboldt-Universität zu Berlin. Er promovierte 1981 auf dem Gebiet der Photomorphogenese höherer Pflanzen, 1985 habilitierte er sich in der Biophysik mit einer Arbeit über miniaturisierte elektromagnetische Feldkäfige zur Manipulation von suspendierten Zellen. Im Jahr 1999 gründete er ein Zentrum für Biophysik und Bioinformatik an der Humboldt-Universität zu Berlin, dessen erster geschäftsführender Direktor er bis zu seinem Eintritt in die Fraunhofer-Gesellschaft war.

Im November 2012 wurde Prof. Dr. Heiko Zimmermann vom Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft als zweiter Institutsleiter in Vorbereitung der Übernahme der IBMT-Führung nach dem altersbedingten Ausscheiden von Professor Fuhr berufen. Er studierte Physik in Würzburg und Berlin, promovierte auf dem Gebiet der Biophysik, absolvierte eine Juniorprofessur und wurde 2008 auf eine W3-Professur an der Universität des Saarlandes berufen. Über seinen Lehrstuhl für Molekulare und Zelluläre Biotechnologie/Nanotechnologie ist das IBMT mit der Fakultät für Chemie, Pharmazie, Bio- und Werkstoffwissenschaften des Universität des Saarlandes verbunden.

Das Institut wird seither in einer Doppelspitze geleitet. Am 01. Januar 2015 ging die geschäftsführende Institutsleitung von Professor Fuhr auf Professor Zimmermann über.

Prof. Dr. Hagen von Briesen vernetzt das Fraunhofer IBMT mit der Medizinischen Fakultät der Universität des Saarlandes, Fachgebiet Experimentelle Hämatologie. Eine weitere Professur für Biomedizinische Technik, besetzt durch Prof. Dr. Klaus-Peter Hoffmann, Leiter der Hauptabteilung Biomedizintechnik, verbindet das IBMT mit der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes (htw saar). Auf dieser Basis verfügt das Institut über eine exzellente Ausbildungs- und Hochschulkompetenz, was sich in einer Vielzahl von Graduierungsarbeiten (vom Master über die Promotion bis zur Juniorprofessur und Habilitation) und einem regen wissenschaftlichen Leben niederschlägt.

Im Jahr 1994 wurde in konsequenter Weiterentwicklung des seit Institutsgründung praktizierten Technologietransfers die IBMT-Außenstelle Sulzbach/Saar etabliert, in der als erste die Arbeitsgruppe Sensorfertigung ihre Tätigkeit aufnahm. Heute arbeiten dort Biobanken-, Kryoelektronik- und Geräteentwicklungsgruppen Seite an Seite mit Immunologen, Molekularbiologen und Biophysikern. Im Jahr 1997 formten sich am Standort Sulzbach/Saar mehrere Biomedizinische Kompetenzzentren, so dass ein Knotenpunkt für den Wissenstransfer entstand, der vielen Kunden geholfen hat, den für ihr Problem geeignetsten Partner zu finden. Seit Mitte des Jahres 2015 ist die ehemalige Außenstelle Hauptsitz des Fraunhofer IBMT mit Institutleitung, Verwaltung, Personalabteilung und Presse und Öffentlichkeitsarbeit vor Ort. Im Jahr 2015 bezog darüber hinaus nach Fertigstellung und Übergabe des Erweiterungsbaus auch die neue Hauptabteilung Medizinische Biotechnologie mit ihren Abteilungen Kryo- und Stammzelltechnologie sowie Bioprozesse & Bioanalytik den neuen Hauptsitz in Sulzbach/Saar.

Das 1996 in den USA gegründete und kontinuierlich entwickelte Fraunhofer-IBMT Technology Center Hialeah (FTeCH) in Miami (Florida) wurde im Jahr 2004 nach überaus erfolgreichem Wachstum ausgegliedert und unter der Schirmherrschaft der City of Hialeah in die Selbstständigkeit überführt. Diese Ausgründung des IBMT auf dem amerikanischen Kontinent war der erfolgreiche Abschluss einer mehr als zehnjährigen internationalen Profilbildung des Instituts. Im Laufe des Jahres 2006 konnte als Ergebnis der langjährigen US-Erfahrungen und -Kontakte des IBMT das erste Großprojekt der Bill & Melinda Gates Foundation akquiriert werden. Inzwischen wird das vierte Projekt der Gates Foundation am IBMT bearbeitet bei einem Gesamt-Fördervolumen von über 15 Mio. $. Damit ist das Fraunhofer IBMT vermutlich der größte Drittmittelempfänger der Gates Foundation in Deutschland.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Nai-Teng Yu (The Hong Kong University of Science and Technology, HKUST) wurde am 01. Oktober 1998 die IBMT-Repräsentanz China in Shenzhen, Guangdong, ins Leben gerufen (FTeCS), die als weiterer Bestandteil des IBMT-Netzwerks die Verbindungen zu Provinzregierungen und zur rasch aufstrebenden Industrie in China aufbaute. Im Jahr 2000 wurden die China-Aktivitäten durch das Fraunhofer-IBMT Technology Center in Xiamen (FTeCX) abgerundet. Inzwischen hat das IBMT so viele chinesische Partner gefunden, dass die direkte Kooperation effektiver ist und das Representative Office der Fraunhofer-Gesellschaft in Peking die Vermittlung der Partner und Forschungsaufgaben übernommen hat.

Im November 1998 folgte die Gründung der Arbeitsgruppe Molekulare Bioanalytik in Potsdam-Rehbrücke als einer neuen Außenstelle des Fraunhofer IBMT in Brandenburg. Für die Standortwahl waren die Nähe zum Institut für Biochemie der Universität Potsdam, an dem bereits seit Jahren erfolgreich Biosensoren zur Marktreife entwickelt wurden, und zum schnell wachsenden Markt der Biotechnologie im Raum Berlin-Brandenburg von entscheidender Bedeutung. Diese Arbeitsgruppe entwickelte sich im Jahr 2000 zur Abteilung Molekulare Bioanalytik & Bioelektronik und wurde mit der im Jahr 2001 vom Lehrstuhl des neuen Institutsleiters, Professor Fuhr, eingebrachten Arbeitsgruppe Medizinische Biotechnologie & Biochips an der Humboldt-Universität zu Berlin, eingebettet in das Zentrum für Biophysik & Bioinformatik, zur Arbeitsgruppe Medizinische Biotechnologie (AMBT) der Fraunhofer-Gesellschaft zusammengefasst. Für diese zunächst noch dezentralen Arbeitsgruppen wurde ein Teilinstitut des IBMT als Neubau in Golm bei Potsdam errichtet. Der Spatenstich erfolgte am 30. August 2004, das Richtfest am 22. Juni 2005, der Umzug Mitte Oktober 2006 und die Einweihung am 09. Mai 2007. Das Forschungs- und Entwicklungsspektrum der beiden Abteilungen ergänzte sich zu einem Kompetenz-Cluster für Biochipsysteme und Nanobiotechnologie. Der Institutsteil Potsdam-Golm wurde im Jahr 2007 um die Abteilung Nanobiotechnologie & Nanomedizin und die BMBF-Nachwuchsgruppe Biomimetische Materialien & Systeme sowie die vom RZPD übernommene Arbeitsgruppe Biodatenbanken/CRIP erweitert. Über eine Nachwuchsforschergruppe konnte weiterhin im Jahr 2010 am Standort Potsdam-Golm ein Laborkomplex zur Entwicklung der »zellfreien Biotechnologie« in Betrieb genommen werden, der sich danach zu einer eigenständigen Abteilung mit drei Arbeitsgruppen entwickelte.

Um die regional an den Standorten Leipzig, Halle und Golm vorhandenen Fraunhofer-Kompetenzen in Bereich Life Sciences synergetisch zu konzentrieren, beschloss der Vorstand der Fraunhofer-Gesellschaft, die überaus erfolgreichen Forschungsaktivitäten in Golm zum 01. Juli 2014 in das Fraunhofer IZI mit Hauptsitz in Leipzig zu integrieren.

Damit schloss das IBMT eine weitere Gründung und Pionierarbeit beim Aufbau der neuen Bundesländer über die Erweiterung des Wissenschaftsparks Potsdam-Golm ab und konzentriert sich nun wieder auf die Region Saar-Lor-Lux und neue Felder der Biotechnologie und Medizintechnik.

Gemeinsam mit dem damaligen saarländischen Ministerpräsidenten, Peter Müller, eröffnete die Fraunhofer-Gesellschaft unter der Präsidentschaft von Professor Hans-Jörg Bullinger am 09. September 2003 in Sulzbach/Saar die Kryoforschungsbank. Damit nahm das Fraunhofer-Institut für Biomedizinische Technik (IBMT) nach dem Zentrum für Kryobiotechnologie & Kryobiophysik eine zweite Einheit zur Entwicklung einer den Anforderungen der zukünftigen Biotechnologie und Medizin entsprechende Technologieplattform in Betrieb. Aufgabe der ursprünglichen »Europäischen Kryoforschungsbank«, dem heutigen »Fraunhofer BioArchiv«, ist es, wertvolle und einzigartige Zellsammlungen (Bioressourcen) aus den verschiedensten Bereichen der Biowissenschaften und Medizin zu unterstützen und anzulegen sowie moderne automatisierbare Biobanktechnologien zu entwickeln und diese dritten Nutzern in angewandter Form zu demonstrieren und zur Verfügung zu stellen. Auf bis dahin mehr als 1 200 Quadratmetern wurden Kryolagertanks mit einem Nettovolumen von jeweils bis zu 1 400 Litern installiert und mit Proben gefüllt. Am 14. September 2007 konnte in einem zweiten Kryohallenteil in Sulzbach eine weitere Kryobank für die Bill & Melinda Gates-Stiftung konzipiert und nach nur einem Jahr Projekt- und Bauzeit in Betrieb genommen werden. Seither können die am AIDS-Programm der Gates Foundation beteiligten Wissenschaftler aus aller Welt Bioreagenzien mit dem Ziel der Entwicklung von HIV-Impfstoffen in einer tiefgekühlten Bibliothek ablegen und sich bei Bedarf zuschicken lassen. Durch den im Jahr 2015 fertiggestellten Erweiterungsbau sind weitere 1 000 Quadratmeter an nutzbarer Biobankfläche und universell einsetzbare Laboreinheiten der Klasse S1 bis S3 hinzugekommen.

Im Jahr 2004 gründete das Fraunhofer IBMT an der Universität zu Lübeck eine Projektgruppe unter der Leitung von Herrn Prof. Dr. Charli Kruse, die sich vor allem mit der Gewinnung von Stammzellen aus marinen Organismen, Differenzierungsprotokollen, aber auch neuen Formen der Aquakultur beschäftigen sollte. Über eine Reihe gemeinsamer Patente wurde die Grundlage für die Entwicklung einer Fraunhofer-gemäßen Forschungseinheit gelegt. Gemeinsam mit dem Land Schleswig-Holstein entstand an der Lübecker Universität die Keimzelle eines Instituts der »Marinen Biotechnologie«. Nach einer achtjährigen Aufbauphase unter der Leitung von Prof. Dr. Günter R. Fuhr wurde die Projektgruppe zur Fraunhofer-Einrichtung befördert, die unter der Leitung von Prof. Dr. Charli Kruse einen Institutsneubau auf dem Universitätscampus erhielt und 2013 in die Eigenständigkeit überführt wurde. Das IBMT kann mit Stolz darauf verweisen, im Life Science-Verbund ein Institut mit der größten Ausstrahlung und ein Katalysator für die Technologieentwicklung in allen Feldern der Biotechnologie gewesen zu sein.

Im Jahr 2011 bewarb sich das Fraunhofer IBMT um die vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Nukleare Sciherheit (BMU) ausgeschriebene Umweltprobenbank (Humane Proben) und erhielt den Zuschlag. Seit dem Jahr 2012 betreibt das Fraunhofer IBMT im Rahmen dieses Langzeitprojekts im Auftrag des Umweltbundesamtes einen zweiten Biobankstandort mit großer Lagerkapazität in Münster/Wolbeck.

Im Jahr 2013 wurde in Kooperation mit Fraunhofer Chile und der Universidad Católica del Norte ein Labor im Bereich der Forschung an Algen für biomedizinische Zwecke in Chile eröffnet.

2014 wurde darüber hinaus in Zusammenarbeit mit Fraunhofer UK und der schottischen Firma »Roslin Cell Science« auf dem Babraham Research Campus, Cambridge, Großbritannien, ein Kooperationslabor gestartet, mit dem Ziel, Produkte – unter anderem für die Pharmaindustrie – basierend auf induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS) zu entwickeln.

2015 kam ein Kontaktbüro in Berlin im Fraunhofer-Forum Berlin hinzu.

Im Berichtsjahr 2017 wurde ein neues Projektzentrum für Stammzellprozesstechnik in Würzburg zusammen mit dem Fraunhofer ISC initiiert. Das Projektzentrum am Standort Würzburg führt die materialwissenschaftliche Kompetenz des Fraunhofer ISC und die Kompetenz in der Etablierung biomedizinischer Workflows im Bereich induzierter pluripotenter Stammzellen (iPS) des Fraunhofer IBMT an einem Standort zusammen. Das Projektzentrum kann damit ein integriertes Portfolio für die Entwicklung anwendungsspezifischer Hochdurchsatz-Produktionsabläufe für Stammzellapplikationen anbieten. Damit wird im Projektzentrum eine bislang in Europa einzigartige Kombination von Forschung und Entwicklung im Bereich Materialinnovationen für Bioreaktoren und Tissue-Engineering-Scaffolds in Verbindung mit neuartiger, autonomer Zellproduktion zusammengebracht.

Diese stark komprimierte Beschreibung der nationalen und internationalen Aktivitäten des IBMT zeigt in typischer Form die Umsetzung des Fraunhofer-Modells zur Förderung der angewandten Forschung und die Bandbreite unserer FuE-Ansätze.